“Immer mehr Arbeitnehmer beklagen, dass ihr Berufsleben zu sehr in ihr Privatleben eingreift”, betont David Büchel, Arbeitspsychologe bei der Arbeitnehmerkammer, die jedes Jahr die Umfrage ‘Quality of Work Index’ zusammen mit der Universität Luxemburg durchführt. Es ist vor allem die Situation der Arbeitnehmer, die keine oder nur wenig Telearbeit leisten können, die sich deutlich verschlechtert.

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Arbeitnehmer legen immer noch großen Wert auf Sinn und Anerkennung bei der Arbeit (im Vergleich zu Karriere machen oder materiellen Vorteilen). Dies sei in einigen Berufen und Wirtschaftszweigen leider immer schwieriger zu finden.

Die Reaktion dieser Arbeitnehmer, stellt David Büchel fest, besteht darin, dass sie ihren Arbeitsplatz behalten wollen, sich aber so weit wie möglich vom Unternehmen entfernen, um sich in Freizeitaktivitäten oder mit der Familie zu entfalten. Dieses Phänomen nennt man «Quiet Quitting» oder «stille Kündigung», ein Begriff, der durch die sozialen Netzwerke populär geworden ist.

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Quiet Quitting heißt wörtlich übersetzt “stille Kündigung”. Allerdings hat der Begriff nichts mit einer inneren oder tatsächlichen Kündigung zu tun. Er bezeichnet das sukzessive Herausziehen aus berufsbedingten Extraaufgaben, die nicht vertraglich festgelegt sind.

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Warum mache ich das eigentlich?

Nur noch gerade so viel tun, wie auch bezahlt wird: Der Dienst nach Vorschrift ist zum Trend geworden – das ist revolutionär und gleichzeitig komplett unrevolutionär.

Die Utopie des Quiet Quitting: Man leistet nur so viel, wie in der Jobbeschreibung verlangt und bezahlt wird, aber eben nicht mehr als nötig.

Das ist mit diesem ‘stillen Kündigen’ gemeint, insofern es um das Aufkündigen eines ungeschriebenen, jedoch zur Gewohnheit gewordenen, ökonomischen wie gesellschaftlichen Vertrags geht, der implizit fordert, dass man extra hart zu arbeiten hat, damit man sich sein Gehalt auch wirklich erarbeitet – dass man sich also seinen Job erst durch Überstunden und Übererfüllung verdient; also im Grunde: Wer Arbeit will, der muss hart dafür arbeiten.

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Wer Überstunden machen muss, hat keine Zeit, gegen diese zu rebellieren

Im Juli lud der 24-jährige Zaid Khan, ein Ingenieur aus New York, via TikTok ein Video ins Netz, das viral ging und die Idee des ‘Quiet Quitting’ populär machte. Khan brachte eine Diskussion über adäquate Bezahlung und den Wert von Arbeit in Gang, insbesondere unter Menschen, die der sogenannten Generation Z angehören.

In diesem Video verabschiedet er sich von der Selbstverständlichkeit einer unbezahlten Arbeitsleistung: “Du kündigst nicht direkt deinen Job, aber du gibst die Idee auf, mehr zu tun, als du willst”, erklärt er. “Du erfüllst immer noch deine Pflichten, aber du folgst nicht mehr der Mentalität der Hustle Culture, dass die Arbeit dein Leben sein muss.”

“Den Schaden begrenzen”

50 % der Arbeitnehmer wollen eine hybride Arbeitsform, bei der sie zwischen Telearbeit und Arbeit vor Ort wechseln, und 5 % wollen nur von zu Hause aus arbeiten, stellt David Büchel fest. Für viele Arbeitnehmer überwiegen die Vorteile der Telearbeit, wie kürzere Anfahrtszeiten und -kosten, flexiblere Arbeitszeiten, mehr Autonomie bei der Arbeitsorganisation, keine Unannehmlichkeiten durch Großraumbüros et cetera.

Die Nachteile: Durchlässigkeit zwischen Privat- und Berufsleben, zusätzliche Arbeitszeit, Isolation et cetera.

“Wir beginnen gerade erst, die mittelfristigen Folgen der Pandemie zu sehen, und natürlich haben diese bei vielen Arbeitnehmern zu einem Motivationsverlust geführt”, analysiert Florane Giolat, Kommunikationsbeauftragte bei Moovijob.