Nach den jüngsten scharfen Preissenkungen von Billig-Supermärkten haben Gewerkschaften, Menschenrechtler und Umweltverbände vor den Folgen für Arbeitnehmer in Deutschland und Entwicklungsländern gewarnt. Arbeiter und Produzenten seien Leidtragende der Preiskämpfe von Discountern, hieß es in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung von 19 Organisationen. Menschenrechtler warnten vor Billig-Produkten im Angebot von Marktführer Aldi.

Wenn die Discounter die Lieferanten im Preis drückten, hätten darunter die Arbeiter in den Herstellerländern zu leiden, teilte die Supermarkt-Initiative mit, zu der sich die 19 Organisationen zusammengeschlossen haben. Marita Wiggerthale von der Hilfsorganisation Oxfam betonte, “die Näherinnen in Bangladesh und China oder die Arbeiter in den Exportplantagen für Bananen, Ananas oder Kaffee verdienen dann noch weniger und ihre Arbeits- und Menschenrechte werden weiter verletzt”. Aber auch die Arbeitnehmer bei den Discountern selbst bekämen die Folgen eines aggressiven Preiskampfs zu spüren. “Überstunden werden verlangt, aber nicht bezahlt”, kritisierte Uwe Woetzel von der Gewerkschaft Verdi.

Bereits zum dritten Mal in diesem Jahr senkten mehrere Discounter in Deutschland die Preise für zahlreiche Produkte, unter anderem für Butter, Fertigpizza, Prosecco und Reis. Nach Gewerkschaftsangaben wirkt sich die Marktmacht der Discounter inzwischen auch auf andere Bereiche der Lebensmittelwirtschaft aus. So steige Lidl in die Produktion von Mineralwasser ein. “Statt sich auf das Kerngeschäft Handel zu konzentrieren, verstärkt Lidl so den Preisdruck und gefährdet Arbeitsplätze”, kritisierte Claus-Harald Güster, Vize-Chef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG).

Die Menschenrechtsorganisation Südwind kritisierte unterdessen, dass die beim führenden deutschen Billig-Supermarkt Aldi angebotenen Waren oft unter unwürdigen Bedingungen hergestellt werden. Dies gehe aus einer Studie von Südwind hervor, die Aldi-Zulieferer für sogenannte Aktionsware in Südchina untersuchte. Die überprüften Fabriken stellen Elektronik, Haushaltswaren, Kosmetik und Textilien her. Bei den Discountern machen Nicht-Lebensmittel einen immer größeren Teil des Sortiments aus.

Laut Südwind müssen die meist weiblichen Beschäftigten in den dortigen Fabriken bis zu 90 Stunden pro Woche arbeiten. Der Arbeitsdruck sei sehr hoch, Fehler würden teils mit Geldstrafen geahndet. Außerdem erhielten Frauen keinen Mutterschutz, die Bildung unabhängiger Gewerkschaften sei untersagt.

“Es handelt sich um Verletzungen von Arbeits- und Frauenrechten, wie sie in der arbeitsintensiven Industrie Chinas durch den Preisdruck von hiesigen Importunternehmen typisch sind”, erklärte Südwind-Mitarbeiterin Ingeborg Wick, die die Studie federführend betreute. Südwind hatte bereits im Jahr 2007 eine Studie über Aldi-Textil-Zulieferer mit ähnlichen Ergebnissen veröffentlicht.

Bei Aldi war niemand zu einer Stellungnahme bereit. 2008 hatte das Unternehmen allerdings in Reaktion auf ähnliche Vorwürfe in seinen Filialen Broschüren verteilt. Darin verwies Aldi darauf, Mitglied der Business Social Compliance Initiative (BSCI) zu sein, in der sich zahlreiche europäische Handelsunternehmen für die Einhaltung von arbeitsrechtlichen Standards bei ihren Zulieferern verpflichten.

Südwind allerdings kritisiert, dass es sich bei BSCI um eine Initiative handle, die lediglich auf Selbstverpflichtungen der Industrie basiere. Die Organisation verlangt von den Handelsunternehmen, sich stattdessen bindenden Regeln zu unterwerfen, wie sie vom EU-Parlament gefordert werden.