Grenzgänger-Besteuerung: Brief an Luc Frieden
Veröffentlicht
von
KaptanListe
am 18/03/2011 um 00:03
Sehr geehrter Herr Minister,
Mit diesem Schreiben möchten wir Ihnen im Anschluss an unseren Brief vom 24. Februar 2011 noch ein Mal die äußerst schwierige Problematik des Doppelbesteuerungsabkommens mit Deutschland unterbreiten.
Gemäß diesem Doppelbesteuerungsabkommen, sind die deutschen Grenzgänger in Luxemburg steuerpflichtig für alle außerhalb Luxemburgs ausgeführten Arbeiten. Bei strikter Auslegung der Konvention, könnte es für die deutschen Arbeiternehmer zu schwerwiegenden Problemen mit der deutschen Steuerbehörde kommen, bedingt durch einen der folgenden Gründe:
- Sie arbeiten einen Teil ihrer Arbeitszeit außerhalb Luxemburgs.
- Es kommt zu einer Kündigung (kollektiv oder individuell).
Diese Problematik führt zunehmend zu einer nicht hinnehmbaren Belastung der deutschen Grenzgänger. Am 12. März wurde vom LCGB in Zusammenarbeit mit dem Finanzamt Trier in der Europäische Rechtsakademie in Trier eine Informationsversammlung über das Doppelbesteuerungsabkommen organisiert. 300 Grenzgänger konnten mit vielen schwierigen Fragen über ihre ungewisse Situation Zeugnis ablegen und konnten auch nicht immer eine zufriedenstellende oder klare Antwort bekommen.
Wie wir Sie daraufhin gewiesen haben, war das Doppelbesteuerungsabkommen Thema einer Unterredung vom 8. Februar 2011 mit Vertretern der Steuerbehörde Trier. Wir konnten damals in Erfahrung bringen, dass Sie zu diesem Zeitpunkt Gespräche / Verhandlungen mit Ihrem deutschen Amtskollegen, Herrn Minister Wolfgang Schäuble, führten.
Angesichts der Ungewissheit mit der viele deutsche Grenzgänger momentan leben müssen, ist es für den LCGB nicht hinnehmbar, dass eine Lösung in der Problematik des Doppelbesteuerungsabkommens weiterhin in weiter Ferne zu liegen scheint!
Hinzu kommt die Ungewissheit bei den Grenzgängern betreffend die Sozialabgaben. Wenn ein deutscher Grenzgänger weniger als 75% seiner Arbeitszeit in Luxemburg erbringt, müssen auch die Sozialabgaben in Deutschland getätigt werden. Dieses hätte zur Folge, dass ein Teil der deutschen Grenzgänger ihre Krankenkasse und Rente in Deutschland tätigen müsste.
Erlauben Sie uns deshalb, Ihnen zunächst die Überlegungen und Vorschläge des LCGB noch ein Mal kurz zusammenzufassen
- Die Besteuerung soll vollständig im Land des Arbeitgebers, d.h. für Leistungen sowohl in als auch außerhalb Luxemburgs, erfolgen. Die Sozialabgaben von Grenzgängern aus nichtselbständiger Arbeit soll vollständig in dem Land stattfinden, in dem der dauerhafte Schwerpunkt der Tätigkeit liegen.
- Auch die Besteuerung der Leistungen im Zusammenhang mit einer Kündigung (sowohl die gesetzliche Entschädigung als auch jegliche Zusatzentschädigungen und Entbindung während der Kündigungsfrist) soll ausschließlich in Luxemburg besteuert werden.
- Unabhängig dieser Forderungen muss ebenfalls verhindert werden, dass deutsche Grenzgänger nachträglich einer Steuerhinterziehung bezichtigt werden, sollten sie in der Vergangenheit ihr Gehalt nicht in ihrem Wohnland deklariert haben.
- Es muss schlussendlich auf dafür gesorgt werden, dass der Teil des Einkommens der gemäß Doppelbesteuerungsabkommen in Deutschland versteuert werden muss, in Zukunft als Bruttolohn ausbezahlt werden und somit nicht mehr in Luxemburg versteuert wird.
Obwohl das Doppelbesteuerungsabkommen bereits seit 1958 bzw. seit 1973 in der Fassung gemäß Ergänzungsprotokolls vom 15. Juni 1973 besteht, kennen viele Arbeitnehmer und Arbeitgeber deren Inhalt nur sehr schlecht beziehungsweise gar nicht. Ein Beispiel hierfür ist die Besteuerung der Abgangsentschädigung gemäß deutschem Einkommenssteuerrecht. Diese in Luxemburg steuerfreie Entschädigung ist demnach in Deutschland steuerpflichtig. Da Abfindungen in Luxemburg steuerfrei sind, sind die deutschen Grenzgänger gegenüber ihren luxemburgischen Kollegen finanziell auf der Verliererseite.
Eine schnellstmögliche Anpassung oder Neuregelung des Doppelbesteuerungsabkommens ist deshalb so schnell wie möglich nötig. Aufgrund der aktuellen Neuauslegung des Doppelbesteuerungsabkommens seitens der deutschen Finanzämter muss beachtet werden, dass ab einem zu definierenden Stichdatum eine Amnestie für die vorangegangene Steuerjahre erlassen wird. Dies ermöglicht es nämlich den deutschen Grenzgängern sich ab diesem festgesetzten Zeitpunkt an die neue Situation anzupassen und zukünftig bei ihrer Steuererklärung dem angepassten oder neugeregelten Doppelbesteuerungsabkommen vollkommen Rechnung zu tragen.
Desweiteren müsste überprüft werden, ob das DBA gegen die Grundfreiheit der Arbeitsnehmerfreizügigkeit, Artikel 45 ff. des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt.
Im Sinne und Interesse aller deutschen Grenzgänger möchten wir Sie um eine Dringlichkeitsunterredung bitten damit wir Ihnen schnellstmöglich die Problematik einiger unserer Mitglieder in der deutschen Grenzgängerregion eingehender darlegen können und schnelle Lösungswege ausarbeiten können.
Mit freundlichen Grüßen,
Patrick Dury, Generalsekretär
Iris Fremgen, Beigeordnete Gewerkschaftssekretärin
Mitgeteilt vom LCGB am 18. März 2011
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Luies
Dass sich zwischenzeitlich die „echten“ Luxemburger mehr und intensiver in den Foren mit der Grenzpendlerproblematik beschäftigen verwundert mich, da sie selbst ja gar nicht betroffen sind, obwohl sie vom Ergebnis immer schon profitiert haben.
Was mich aber um so mehr wundert, ist die Maximalforderung, mit der der luxemburgische Finanzminister Luc Frieden vor Wochen den Kontakt zu seinem rheinland-pfälzischen Kollegen gesucht hat. Nachdem sich alle Experten auf beiden Seiten – gleich ob luxemburgische Gewerkschaften, Steuerberater und Finanzverwaltung – über die Grundzüge der Besteuerung nach dem Doppelbesteuerungsabkommen einig sind und nur wenige Einzelfälle unterschiedlich eingeordnet werden, geht Herr Frieden nunmehr auf den Start des Spiels zurück und fordert wieder den alten Status quo. Mit dieser haltlosen und vollkommen überzogenen Forderung fährt er nach Mainz und erklärt bei seiner Rückkehr, innerhalb von 3 Monaten eine praktikable Lösung präsentieren zu wollen.
Die Gewerkschaft geht jetzt sogar noch einen Schritt weiter und fordert die Einführung einer Besteuerung der Arbeitnehmer rein nach dem Sitz des Arbeitgebers – eine Zuordnung des Besteuerungsrechtes, die in dieser Form weltweit in keinem DBA verankert ist und auch im krassen Gegensatz zu den anerkannten OECD-Standards steht. Alles nur zum Wohle deutscher Pendler!
Wäre es in einem sich entwickelnden Europa, in dem beide Länder Vorteile haben, nicht langsam an der Zeit, dass sich Luxemburg einfach an bestehende Gesetze und internationale Vereinbarungen hält - so, wie es unter Freunden üblich ist? Dies wäre dann auch eine tragfähige Grundlage für ein solidarisches Miteinander. Das Doppelbesteuerungsabkommen – da sind sich auch alle Experten einig – entspricht internationalen Standards, auch wenn es schon 60 Jahre alt ist. Sollte sich Luxemburg jedoch dafür einsetzen wollen, neue und solidarische Standards bei den Ertragsteuern innerhalb einer sich entwickelten EU wirklich zu wollen, so wäre ich als überzeugter Europäer sofort einverstanden – jedoch nicht zu den aktuellen Bedingungen des luxemburgischen Finanzministers oder luxemburgischer Gewerkschaften.
Manni
In dem Brief heißt es: "Wenn ein deutscher Grenzgänger weniger als 75% seiner Arbeitszeit in Luxemburg erbringt, müssen auch die Sozialabgaben in Deutschland getätigt werden."
Diese Regel ist mir total neu, ist diese Erkenntnis gesichert?
VG
Manni
pendlermitaudi
LIR 157: Bitte auch daran denken. Das Verhältnis von L-Einkommen zu Welteinkommen verschiebt sich durch die Steuerverlagerung. Es sollte nicht unter 90% fallen, sonst geht nichts mehr mit LIR 157 (Absetzen von Zinsen, Versicherungen, etc.) in der Luxemburger Erklärung. Das könnte ggf Luxemburg ändern, ohne die Deutschen zu fragen. Mit Belgien gibt es eine 50% Regel dazu soweit ich gelesen habe. Wenn dann noch der Arbeitgeber für die Tage ausserhalb L keine Lohnsteuer abführt nach L, wäre schon was gewonnen.
...was sehr zu begrüßen ist.
Besonders erfreulich finde ich, dass der LCGB offenbar inzwischen auch mitbekommen hat, dass hier sozialversicherungsrechtlich die Lunte zu einer ganz dicken Bombe brennt. Weiter so!
Etwas enttäuscht bin ich über die Argumentation. Ein bisschen mehr hätte dem LCGB schon einfallen können als nur Art. 45 EGV. Vielleicht sollte man auch mal intensiv über Art. 39, Art. 43, Abs. 2 und Art. 48, Abs. 1 in Verbindung mit Art. 12 EGV nachdenken.
Wenn man die Situation Deutschland-Luxemburg mal mit derjenigen anderer Nachbarländer von D vergleicht (EU- und Nicht-EU-Mitglieder), dann zeigt sich: Luxemburg ist für Deutschland derzeit nur "EU-Land 2. Klasse" und "EWR-Land 3. Klasse". Die klassische Fortsetzung der Steinbrück´schen Kavallerie-Mentalität (früher auch "Kanonenboot-Politik" genannt". Und Herr Kentenich ist der neue Korvettenkapitän Behnisch... :wink:)!
Nichtensegen