Die EU- Staaten im grenzkontrollfreien Schengen- Raum haben künftig erstmals die Möglichkeit, bei einem massiven Flüchtlingsansturm die Grenzen dichtzumachen. Darauf einigte sich die Europäische Kommission mit den Ländern jetzt nach langem Streit. Die Grenzen können durch einen neuen “Notfallmechanismus” künftig bis zu zwei Jahre geschlossen werden, teilte die irische EU- Ratspräsidentschaft am Donnerstag mit. Um einen Freibrief zur willkürlichen Wiedereinführung von Grenzkontrollen handle es sich aber nicht, wurde zugleich betont.

Derzeit können die Schengen- Länder nur unter außergewöhnlichen Umständen und in dringenden Fällen, in denen ein Staat seine öffentliche Ordnung oder innere Sicherheit bedroht sieht, die Grenzen wieder hochziehen. Dazu zählen große Sportveranstaltungen, internationale Konferenzen oder auch Terroranschläge.

Neu dazu kommt nun eine weitere Möglichkeit: Die Staaten sollen auch auf wirklich kritische Situationen reagieren können, in denen die Sicherheit der gesamten Schengen- Zone bedroht wäre, wenn interne Grenzkontrollen nicht wieder eingeführt würden. Bloßer Migrationsdruck wäre allerdings nicht ausreichend, betonte ein Kommissionsbeamter. Die Rede ist vielmehr von wirklich außergewöhnlichen Katastrophen, etwa einem grenznahen Reaktorunfall in Osteuropa mit einem massiven Flüchtlingsansturm auf die EU.

Um einen möglichen Missbrauch durch populistische Politiker zu verhindern, soll dies aber unter Mitsprache der EU- Partner erfolgen. So will man eine Situation wie in Dänemark verhindern. Die damalige dänische Regierung hatte 2011 vor Wahlen die Wiedereinführung von Grenzkontrollen, genauer gesagt Zollkontrollen, zumindest für kurze Zeit auf den Weg gebracht.

Der Rat der Innenminister soll auf Grundlage eines Vorschlags der EU- Kommission eine Empfehlung darüber abgeben, ob die Grenzen dichtgemacht werden dürfen und für wie lange. Die übliche Dauer wäre sechs Monate, auf bis zu zwei Jahre könnte verlängert werden, wenn darüber jedes Mal in Brüssel mit qualifizierter Mehrheit im Rat der Innenminister abgestimmt würde.

Die EU- Kommission sieht dies als eine “kopernikanische Wende” im Streit um Schengen, weil sie und andere EU- Staaten künftig erstmals ein Mitspracherecht haben. “Das ist ein wichtiger Schritt hin zu einer europäischeren und besser funktionierenden Schengen- Zone zum Wohle der europäischen Bürger”, sagte EU- Innenkommissarin Cecilia Malmström. Hält sich ein Land nicht an die Empfehlungen, müsste es sich vor allen anderen rechtfertigen, heißt es in der Kommission. Dort geht man aber davon aus, dass es durch den politischen Gruppendruck gar nicht zu Alleingängen kommen werde.

Die Reform muss von den EU- Innenministern und im September vom EU- Parlament endgültig beschlossen werden. Spätestens im Herbst 2014 könnten dann alle Neuregelungen in Kraft sein.