Bürger mehr als eines Staates
Veröffentlicht
von
KaptanListe
am 17/11/2004 um 00:11
Mit Ausnahme der ADR sind alle politischen Parteien im Großherzogtum schon lange dafür, die Staatsbürgerschaft in mehrfacher Form zu ermöglichen.
Woran hatte es geklemmt, dass ein entsprechendes Gesetz noch nicht verabschiedet wurde? Nun, eine maßgebliche Regierungspartei, die CSV, hatte argumentiert, dass dieser bedeutende Schritt vor den Wahlen noch nicht im Wahlprogramm der Partei gestanden habe. Nun, zwar stand da so vieles nicht drin… Aber jetzt hat es endlich drin gestanden, die CSV wurde auch wieder in die Regierung gewählt – also sollte man jetzt mit der Verwirklichung des Projektes rechnen können!
Noch nicht viel gewonnen!
Dass eine Person zwei oder gleich mehrere Staatsangehörigkeiten inne hat, ist auch heute in Einzelfällen schlichtwegs unvermeidlich – auch wenn Staaten wie Luxemburg oder Deutschland solche Ausnahmefälle bisher stets so niedrig wie möglich zu halten gesucht hatten.
Nach der bisherigen Regelung setzte die Einbürgerung in Luxemburg voraus, dass man die vorherige Staatsangehörigkeit aufgegeben hatte bzw. nachweislich nicht mehr besitzt (einfach unmöglich etwa bei Portugiesen, die laut Gesetz auf ihre Staatsangehörigkeit gar nicht wirksam verzichten können!).
Wer schon einmal vor dem Standesbeamten gestanden hat, der weiß, wie schwierig es sich gestaltet, einem solchen Beamten etwas zu beweisen (etwa dass man lebt und dass man so heißt, wie man heißt …).
In einem so ehrenwerten Staat wie dem Großherzogtum gibt es neben viel Ehrenhaftigkeit immer auch ein beträchtliches Maß an Scheinheiligkeit (nach dem Motto: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!).
Es steht somit zu befürchten, das mit einem neuen Gesetz über den “Doppelpass” noch nicht unbedingt viel für die Sache gewonnen ist, nämlich die Integration der Ansässigen im Großherzogtum mit anderer Staatsangehörigkeit.
Denn wenn wie bisher eine langwierige Prozedur (bislang mindestens zwei Jahre) nach undurchsichtigen Maßstäben (gleichsam vor jeder beteiligten Instanz, von Gemeinderat bis zum Parlament, eine “Gesichtskontrolle” des Antragstellers in nicht öffentlicher Sitzung) stattfindet, so ist das nicht motivierend, sondern letztlich demütigend.
Die Luxemburgisch-Kenntnisse
Beliebt ist hierzulande (wie in Deutschland!) die Beherrschung der Landessprache als Filter-Kriterium vorzuschieben.
Hört sich erst einmal überaus vernünftig und verständlich an!
Man darf jedoch dabei die Fragen nicht vergessen, wer den Einbürgerungswilligen diese Sprache beibringen und wie deren Beherrschung objektiv festgestellt werden soll.
Wer die objektiv nicht nachvollziehbare Funktion psychologischer Eignungstests etwa schon im schulischen Bereich an eigenem Leib erfahren hat, kann hier nur Bauchschmerzen bekommen. Und schließlich ist nicht jeder Beamter ein von Natur aus begabter Luxemburgisch-Prüfer!
Man darf also nur hoffen, dass das Ergebnis des bevorstehenden Gesetzgebungsprozesses hier einiges in Richtung Transparenz und der Vereinfachung der administrativen Prozeduren an Besserung erbringt.
Sonst steht zu erwarten, dass Neu- oder Auch-Luxemburger nur derjenige wird, wer nichts Anderes oder Besseres zu erwarten hat und dazu noch die nötige Eselsgeduld mitbringt!
Luxemburg wie die Schweiz liegen an der Spitze, wenn es um den Anteil von Ausländern an der Wohnbevölkerung des Landes geht. Sie sind “Schwanzmeister”, wenn es um den Anteil der Einbürgerungen geht.
Woran liegt das? Oder anders gefragt:
Wie offen ist Luxemburg wirklich?
Mehr Informationen:
Gilbert Trausch, “Histoire, nationalité et double nationalité”
Nénad Dubajic, “Les étrangers entrent dans la vie politique”
Serge Kollwelter, “Double ou simple en veut-on vraiment?”
ADR: “Nicht wirklich integrationsfördernd!”
Laurent Mosar (CSV): “Plädoyer für die luxemburgische und für die doppelte Staatsbürgerschaft”
Claude Meisch (DP), “Un facteur d’intégration?”
Ben Fayout (LSAP), “Un moyen de cohésion”
Jean-Marie Wagner, “Doppelte Staatsbürgerschaft – doppelte Loyalität”
Michel Pauly, “Demokratiegeschichte – Wirtschaftsgeschichte”
Damir Skenderovic & Gianni D’Amato, “Schweiz: Doppelpass oder Eigentor?”
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edmar123
Wenn jemand nicht dazugehören will, braucht er auch die fremde Sprache nicht zu erlernen und auch keinen Einbürgerungsantrag zu stellen.
Ich glaube das mit der fremden Kultur sehen Sie ein bißchen einseitig. Man hat manchmal das Gefühl wir sollten uns den Fremden anpassen.
Die ganze Auseinandersetzung hat auch viel mit der Angst der Einheimischen vor den Fremden und deren Religion zu tun.
So im Koran:
Und wenn ihr fürchtet. daß Frauen sich auflehnen. dann ermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie.
So im neuen Testament:
Wer unter Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.
Ich möchte meine "Kultur" weder mit Druck noch Gewalt anderen aufdrängen. Aber ich möchte weiterhin frei meine Meinung äußern dürfen, ohne ermordet oder mit dem Tod bedroht zu werden, wie van Gogh in Holland.
Oder die Äußerungen eines Islam-Predigers mit anhöhren müssen "was haben die Deutschen denn schon für uns getan, ... sie stinken"usw.
Ich weiß auch daß der Islam zu einer Zeit als wir noch "auf den Bäumen saßen" eine große und tolerante Kultur (Spanien) hatte. Wer muß da wohl heute seine Kultur weiter entwickeln?
Meffo
Ich zeilte damit auf die in der gegwnärtigen Politik vertretene Tendenz, die Beherrschung einer bestimmten Sprache zum Kriterium zu machen, ob jemand "dazu" gehört oder nicht.
Ebenso was das Gerede von "Leitkultur" bzw. Anerkennung der europäischen Werte usw.
Wir sollten uns darum bemühen, unsere eigene Kultur weiter zu entwickeln und an unsere Nachkommen weitergeben - und nicht sie anderen mit Druck oder Gewalt aufdrängen.
Mir scheint, dass man sich derzeit so auf das Thema "Ausländer" konzentriert, ist eher ein Zeichen von Unsicherheit und Schwäche. Dies hilft uns bei der Lösung der anstehenden politischen oder ökonomischen Fragen nicht weiter.
edmar123
Einbürgerung in ein Land bedeutet m.E., daß man im Regelfall nicht nur "eine" Staatsbürgerschaft erwirbt, sondern sich auch mit diesem Land identifiziert und das heißt, daß ich auch seine Sprache spreche. Ich habe es selber erfahren "Ausländer" zu sein und damals (59-62) noch nicht einmal ein (verständlicherweise) beliebter.
Bei Vollbeschäftigung bin ich ganz auf Ihrer Seite. Ich verstehe nur nicht, was die Erziehung der eigenen Kinder, mit dem Erlernen der Sprache des Gastlandes zu tun hat.
Meffo
Vielleicht sllte man den Kindern deustcher Staatsangehörigkeit, die zwar lesen, aber dabei nichts verstehen, auch die Staatsangehörigkeit entziehen?!
Scherz beiseite:
Deusche wie Luxemburger hängen sich emotional nur an der Frage der Sprache auf. Man sollte besser darüber diskutieren, wie wir Vollbeschäftigung erreichen oder dem Vergresien der Bevölkerung gegensteuern - das sind die lebenswichtigen Themen.
Ein Volk, das noch nicht einmal in der lage ist, seine eigenen Kinder richtig zu erziehen und fürs Berusflbene vorzubereiten, hat natürlich umso mehr Probleme, mit Ausländern umzugehen - die vielleicht sogar noch etwas geschickter sind oder sich mehr Mühe geben.
Im Übrigen sollte man nicht vergessen, dass ein jeder Mensch fast überall auf der Welt selbst Ausländer ist.
edmar123
Die Luxemburger sollten mit der Vergabe ihrer Staatsbürgerschaft schon vorsichtig seien. Ich habe von 1959 bis 1962 in Luxemburg gelebt und nach dieser Zeit (ohne Lehrer) luxemburgisch gut gesprochen und verstanden. Sie sollten nicht dieselben Fehler machen wie Deutschland, wo (fast) jeder Türke die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen kann und trotzdem die türkische behalten (bzw. Wiedererlangen kann). Hören Sie mal 80 % der in Deutschland lebenden Türken beim deutsch reden zu. Da kann man schon der Ansicht sein, die wollen das überhaupt nicht.
Was die Portogiesen angeht: Vereinheitlicht das Recht auf Staatsbürgerschaft in ganz Europa. Da hat die Türkei noch einiges nachzuholen z.B. im Punkte Erbrecht.
Meffo
„Trotzdem müsse man das Unsicherheitsgefühl der Menschen ernst nehmen. „Wenn sechs Schwarze vor einer Kneipe stehen, ist das kein Vergehen. Viele Menschen haben trotzdem Angst.“ Hier könnte man etwa auf ‚Platzverweise’ wie in der Schweiz zurückgreifen.“
[„’Sicherheit größer als Sicherheitsgefühl’, Syvicol-Tagung mit Justizminister Luc Frieden zur städtischen Sicherheit in Bartringen“, (ari), Luxemburger Wort 17.11.2004]