Zwergenweitwurf – und andere philosophische Übungen

Was geschähe, wenn man das sokratische »Ich weiß, daß ich nichts weiß« in letzter Konsequenz leben wollte? Darf man seinem Chef den Tod wünschen? Stimmt es wirklich, daß sich über Geschmack nicht streiten läßt? Kann man sich selbst belügen? Auf jeweils ein bis zwei Seiten werden Fragen, die jeden von uns in unserer geistigen und ethischen Existenz berühren, in der Anwendung auf konkrete Situationen ausgelotet.
Wie soll man sich gegenüber einer in Australien beliebten Sportart verhalten, dem Zwergenweitwurf, bei dem Kleinwüchsige möglichst weit durch die Luft geschleudert werden? Könnte man als ein freiheitlich denkender Mensch diese Disziplin wirklich mit Hinweis auf die Menschenrechte ächten, da die »Zwerge« sich doch offenbar freiwillig zur Verfügung stellen? In zupackend erzählten Geschichten und Gedankenexperimenten, die Personen in Situationen zeigen, in denen sie eine, wie man es auch dreht, unmoralische Entscheidung treffen müssen, prüft Armando Massarenti die Philosophie auf ihre Alltagstauglichkeit. Insofern handelt es sich um »Übungen«, um eine philosophische Gymnastik, die für den philosophischen Alltag fit macht, müssen wir doch ständig politisch unkorrekt handeln, um größeren Schaden zu vermeiden.

pic

Der Autor versorgt den Leser mit einer lebenstauglichen, philosophischen Grundausstattung, die von wohldosierten Tagesrationen, die jeweils nur ein bis zwei Seiten umfassen, genährt wird. Immer sind es Fragen, auf die jeder schnell eine Antwort parat hat. Ein paar Zeilen weiter gelesen, eröffnen sich neue Aspekte und stellen die vorgefertigte Meinung in Frage. Wunderbar.

In unserer reizüberfluteten Welt und einer daraus resultierenden allgemeinen Abgestumpftheit ist dies wahrhaftig ein Kunststück, das in Massarenti einen echten „Meister der kleinen Form“ erkennen lässt.

Umberto Eco schreibt in seinem Vorwort, dass er Massarentis Fähigkeit der Beschränkung bewundere. Normalerweise fällt es Schriftstellern wie Philosophen keineswegs schwer, viele Seiten zu einem Thema zu füllen; jedoch das Zusammenstreichen, die Filtration und Konzentration der Gedanken auf einen Raum von – sagen wir: 2000 Anschlägen, das ist ungleich schwieriger und richtig zeitraubende Arbeit für den Autoren.

Lesen Sie diese Kurztexte täglich – am besten morgens anstelle ihrer Tageszeitung, in der sowieso nichts Vernünftiges steht! Geben Sie Ihrem Verstand lieber frisches Gedankenfutter und „werfen Sie den Zwerg“ Ihrer Vorstellungskraft, so weit Sie nur können.

„Zwergenweitwurf und andere philosophische Übungen“ ist erschienen im Verlag Insel (Suhrkamp).
Für 17,80 Euro gibt´s einen festen Einband mit 205 Seiten.
ISBN: 978-3-458-17453-0