Eine Weltbibliothek für Jedermann

Die Idee einer Weltbibliothek, die über das Internet von Berlin bis nach Schanghai jedermann kostenlos zugänglich ist, geht auf James H. Billington zurück. Der US-Leiter der Library of Congress in Washington stellte es sich als großartigen Beitrag zur Völkerverständigung vor, wenn alle Nationalbibliotheken weltweit ihre Inhalte digitalisieren und öffentlich teilen würden. Am Dienstag nimmt die UN-Bildungsorganisation UNESCO nun die von ihm angeregte Digitale Weltbibliothek in Betrieb. Sie soll wesentlich selektiver sein als andere große digitale Bibliotheken. Ursprünglich dachte Billington an Schüler und Lehrer, die in der riesigen Internetbibliothek alles finden würden, was für die Kultur anderer Staaten wichtig war und ist – von arabischen Kalligrafien über chinesische Schriftzeichen bis zu alten Fotografien aus Lateinamerika. Die UNESCO hat mittlerweile nicht weniger vor, als die Kulturschätze der Nationalbibliotheken und Archive möglichst umfassend ins Internet zu bringen und sie der weltweiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wie Abid Abdelaziz sagt, der das riesige Vorhaben am Sitz der Organisation in Paris koordiniert. “Wir arbeiten viel mit Entwicklungs- und Schwellenländern zusammen”, sagt der UNESCO-Koordinator. Brasilien, China, Südafrika und Russland machen mit, staatliche Bibliotheken und ähnliche kulturelle Einrichtungen aus Ägypten, Israel, Japan, Mexiko, Saudi-Arabien und Uganda steuern Inhalte bei. Bislang sind 32 Partnerinstitutionen mit im Boot; die Internetnutzer haben zur Suche und Seitenführung immerhin sieben Sprachen zur Auswahl.Deutsch ist nicht dabei, und mit deutschen Bibliotheken gibt es bislang auch keine Partnerschaft. “Das Problem ist die Digitalisierung”, sagt Claudia Lux, die Vorsitzende des Internationalen Bibliothekenverbandes IFLA und Generaldirektorin der Zentral- und Landesbibliothek Berlin. In Frankreich werde die Digitalisierung seit jeher vom Staat bezahlt. Dagegen würden derartige Projekte in Deutschland erst seit wenigen Jahren gefördert. Mit den beiden anderen großen digitalen Bibliotheken, die es bislang gibt – dem europäischen Gemeinschaftsprojekt Europeana und “Google Book Search” – hat das UNESCO-Unternehmen nicht viel gemein. Was in die Weltbibliothek kommt, muss historischen Charakter haben. “Irgendeinen Roman, der gerade in Madrid veröffentlicht worden ist, nehmen wir nicht auf”, sagt UNESCO-Koordinator Abdelaziz sagt. Anders als die digitale Bibliothek der Internetsuchmaschine Google aus den USA, die seit 2005 läuft und neben kulturellen Texten auch Zeitschriftentitel wie “Men’s Health” verzeichnet hat.Rund sieben Millionen Werke sind derzeit bei der Google-Bibliothek zugänglich, der einzigen digitalen Bücherei, die sich über Werbung finanziert. Die Weltbibliothek der UNESCO sei “sehr viel stärker bildorientiert”, sagt Lux. Stärker auch als die Europeana, die zudem komplizierter strukturiert ist, weil der Nutzer bei der Suche nach einem Werk zu den Katalogen der Nationalbibliotheken geführt wird und sich dort zurechtfinden muss. “Die Weltbibliothek will sofort auf das Material führen, während bei den anderen jeder Partner seine Plattform behält”, erklärt Lux.Im Moment sind die Europeana und die UNESCO-Bibliothek “zwei völlig verschiedene Initiativen”, sagt Abdelaziz. Idealerweise würden die staatlichen Einrichtungen ihre Inhalte aber künftig so digitalisieren und aufbereiten, dass sie in beide Bibliotheken passen. “Wir wollen Arbeitsmethoden und Normen finden, damit sie ihre Inhalte teilen können.” Natürlich nicht nur europaweit, wie er betont. Denn schließlich hat die UN-Organisation ein weiteres Ziel: Dass die “digitale Kluft” in der Welt kleiner wird.