Vor allem Familien haben oft zu wenig Platz. Jeder achte Deutsche lebt in zu großen oder zu kleinen Wohnungen. Ein Wohnungstausch gelingt nur selten – auch weil Rentner sich nicht verkleinern wollen.

Eltern, die abends das Sofa im Wohnzimmer zum Bett für die Nacht ausklappen, Kinder, die auf einer Zwischenebene unter der Altbaudecke schlafen: So arrangieren sich manche Familien mit dem Platzmangel in ihrer Wohnung. Zugleich gibt es auch den umgekehrten Fall: Rentner, die nach dem Auszug der Kinder und dem Tod des Partners weiter in der großen Familienwohnung bleiben oder gut verdienende Singles, die sich Arbeits- und Gästezimmer leisten können.

“Mismatch im Wohnungsmarkt”

Von einem „Mismatch im Wohnungsmarkt“ spricht das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) aus Köln in einer neuen Analyse, die der F.A.Z. vorliegt. 6,5 % der Haushalte in Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern leben demnach in beengten Wohnverhältnissen. Als Definition dafür gilt, dass es weniger Wohnräume als Haushaltsmitglieder gibt, etwa wenn ein Paar mit einem Kind in einer Zweizimmerwohnung lebt.

Fast ebenso viele Haushalte, 6,2 %, haben dagegen viel Platz, konkret: Die Zahl der Wohnräume übersteigt die der Haushaltsmitglieder um drei oder mehr. In diese Kategorie fällt ein Single in einer Vierzimmerwohnung.

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Probleme haben in den Großstädten vor allem zwei Gruppen, heißt es in der Analyse: Jede dritte Familie habe im Jahr 2020 in einer überbelegten Wohnung gelebt. Von den Haushalten mit Migrationshintergrund sei jeder Fünfte betroffen gewesen. Von den Haushalten in der Alterskategorie 70 plus lebten dagegen rund 9 % in einer sehr großzügigen Wohnung.

Dass die neuesten Zahlen schon gut zwei Jahre alt sind, weder die Folgen der Corona-Zeit noch die der Energiekrise beinhalten, erklärt Studienautor Michael Voigtländer damit, dass die Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) erst mit Verzögerung vorliegen.

Tauschbörse wird wenig genutzt

Vereinzelt versuchen Städte schon, Platzbedarf und Platzverhältnisse besser zusammenzubringen. Die sechs landeseigenen Wohnungsgesellschaften in Berlin haben im September 2018 eine Tauschbörse eingerichtet, die eine Hürde von vorneherein abräumt: Innerhalb dieses Kreises können die Mieter ihre bisherige Quadratmeterkaltmiete mitnehmen. Wer sich verkleinert, zahlt also auch deutlich weniger.

Trotzdem kam es bislang nur in 454 Fällen oder bei 908 Mietparteien zu einem Tausch – bei insgesamt 360.000 Wohnungen eine überschaubare Zahl.

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Früher war es laut IW noch angespannter

Laut der Analyse des IW Köln war die Situation Anfang der Neunzigerjahre angespannter als heute. Bis zu 9,3 % der Haushalte lebten nach der Wiedervereinigung in beengten Wohnverhältnissen, in großzügigen Wohnungen nur um die 3 %. Mit einer Neubauoffensive – 1994 wurden laut IW mehr als 600.000 Wohnungen gebaut – entspannte sich die Lage. Von 2008 bis 2012 lebte sogar ein größerer Anteil der Haushalte in zu großen als in zu kleinen Wohnungen. Erst in den vergangenen Jahren kehrte sich das Verhältnis wieder um.

Von Forderungen, Vermietern eine stärkere Erhöhung der Bestandsmieten zu erlauben, um die Fluktuation auf dem Wohnungsmarkt zu erhöhen, hält Voigtländer wenig. „Das ist politisch nicht durchsetzbar.“ Seine Schlussfolgerung aus den Zahlen ist eine andere: „Wir brauchen mehr Neubau.“

Wohnungsverbände hatten zuletzt allerdings gemeldet, dass wegen der gestiegenen Zinsen und Baukosten sowie der wachsenden Zahl von Auflagen nicht mehr, sondern weniger gebaut wird. Nach den 293 000 Wohnungen, die 2021 fertig wurden, gehen sie davon aus, dass die Zahl in Richtung 250 000 sinken wird.

Quelle: FAZ