Immer mehr Luxemburger lassen sich jenseits der Landesgrenze nieder und pendeln täglich in ihre alte Heimat zur Arbeit. Der Trend scheint ungebrochen, seit Jahren verzeichnen deutsche Dörfer entlang von Obermosel und Sauer einen regelrechten Bauboom. Weil im Großherzogtum das Bauland knapp und teuer ist, suchen viele ihr Glück im nahen Ausland. Schließlich liegen die Preise für Grundstücke hier deutlich unter dem, was in Luxemburg bezahlt werden muss. Laut rheinland-pfälzischem Grundstücksmarktbericht 2011 kostet der Quadratmeter im Nachbarland bis zu dreimal so viel wie in der deutschen Grenzregion.

Das bestätigt auch Jean Marie Sonntag aus Schengen, Europas wohl berühmtesten Dorf. Der Makler ist seit Anfang der 1970er Jahre im Geschäft, er vermarktet Immobilien auf beiden Seiten der Mosel. Damit befindet sich Sonntag quasi immer auf der Gewinnerseite, denn auch wenn viele Luxemburger in Deutschland bauen, bleibt doch auch im Großherzogtum die Nachfrage ungebrochen. Das Land zieht Menschen aus ganz Europa an, viele gehen gut bezahlten Jobs in Banken und EU-Institutionen nach. Eigentlich hat Sonntag nur ein Problem: ‘Ich bekomme hier einfach kein Bauland mehr’, klagt der Luxemburger. Gäbe es in Schengen noch Grundstücke, er müsste bis zu 450 Euro pro Quadratmeter zahlen.

Gleich gegenüber, in Perl, käme er deutlich günstiger weg. Hier werden pro Quadratmeter knapp 110 Euro fällig – zumindest dann, wenn es sich um ein Grundstück der Gemeinde handelt. Die beschloss vor einigen Jahren, selbst Bauland zu schaffen, um so der Nachfrage Herr zu werden. Wer schon mindestens drei Jahre im Ort wohne, müsse noch weniger zahlen, berichtet Karl Fuchs, Beigeordneter der Gemeinde. Mehr als die Hälfte der Grundstücke und Immobilien gehe inzwischen an Käufer aus dem Nachbarland.

So wuchs die ‘Perle an der Obermosel’ stetig. Seit 2006 zogen rund 1.000 Luxemburger in den Ort. ‘Es gab Zeiten, da hatten wir hier jeden Tag zehn Neuanmeldungen’, berichtet Melanie Rauen vom Einwohnermeldeamt. Fuchs sieht nur Vorteile in der Entwicklung: Zwar müsse die Infrastruktur angepasst werden, etwa die Zahl der Kita-Plätze, doch unterm Strich profitiere Perl.

Das sieht man im 20 Kilometer flussabwärts gelegenen Wincheringen ähnlich. Derzeit entsteht in dem rheinland-pfälzischen Moseldorf ein Baugebiet mit 300 Wohneinheiten. ’95 Prozent der Zugezogenen arbeiten im Großherzogtum’, sagt Bürgermeister Leo Holbach. Das seien aber nicht nur Luxemburger, sondern Menschen aus aller Herren Länder. Stolz berichtet der Bürgermeister von den 28 Nationalitäten in seinem Ort, allein im Kindergarten seien Jungen und Mädchen aus 16 Staaten vertreten.

Makler Sonntag berichtet derweil von Landsleuten, die wieder zurückgekehrt seien, weil sie auf der deutschen Seite nicht heimisch wurden. Manche machten sich über wesentliche Dinge zu wenige Gedanken. ‘Die werden krank und sind dann überrascht, wenn der Krankenwagen nicht nach Luxemburg, sondern nach Saarlouis fährt.’

Offenbar kann Luxemburg den Aderlass gut verkraften. Derart stark ist die Zuwanderung in den Kleinstaat, dass die Einwohnerzahl in den vergangenen zwei Jahrzehnten um gut ein Drittel auf mehr als eine halbe Million anstieg.