“In der öffentlichen Diskussion sind die strukturellen Folgen des Bologna-Prozesses für die Umgestaltung des Studiums kaum wahrgenommen worden, und auch die Universitäten selbst haben sie wohl erst bemerkt, als sie nach der Umstellung mit den praktischen Konsequenzen konfrontiert wurden.

Tatsächlich bedeutet der Bologna-Prozess eine radikale, historisch einmalige Neubestimmung dessen, was unter „Studium“ und „akademischer Lehre“ künftig verstanden werden muss. Nach traditionellem Verständnis bedeutet Lehre, dass gelehrt und Studium, dass studiert wird. Nach dieser Auffassung unterscheidet sich das Studieren von schulischen Lernprozessen nicht nur durch das höhere Abstraktions- und Theorieniveau, sondern auch durch den höheren Grad der Selbständigkeit, der den Lernenden abverlangt wird.

Davon ist im Bologna-Prozess nichts mehr übrig geblieben. Bereits der Begriff des Studierens ist verschwunden. An seine Stelle ist das workload getreten. Workload ist die abstrakte Arbeitszeit, die ein an einer Universität immatrikulierter Mensch tatsächlich oder virtuell erbringt und für die er einen Nachweis in Form von Credit Points erhält.”

Vortrag an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn auf Einladung des Kritischen Gesprächskreises an der Universität Bonn (KGK), in Zusammenarbeit mit dem Studium Universale, am 23. Januar 2008 von Peter J. Brenner, Professor für Neuere deutsche Literaturgeschichte und Fakultätsbeauftragter für Qualitätsmanagement an der Philosophischen Universität der Universität zu Köln sowie Leiter des privaten Instituts für Medienevaluation, Schulentwicklung und Wissenschaftsberatung