Luxemburg verliert

Das Handelsblatt berichtet aktuell über Luxemburg als Fondstandort im Rückwärtsgang. “Luxemburg als Fondsstandort hat seine Blütezeit hinter sich”, urteilte Clemens Schürhoff, Geschäftsführer der Beratungsfirma Kommalpha Institutional Consulting dem bericht zufolge. Etwas vorsichtiger gebe sich Sven Zeller, Partner bei der Anwaltskanzlei Clifford Chance: “In Krisenzeiten investieren die Anleger konservativer, sind heimatverbundener, und mehr Regulierung liegt im Trend – das alles könnte bei der aktuellen Entwicklung unterschwellig mitschwingen.”

Das Thema sei wichtig, denn es gehe aus volkswirtschaftlicher Sicht um Steuereinnahmen sowie um Arbeitsplätze bei Anlagegesellschaften und Dienstleistern wie Wirtschaftsprüfern, Anwaltskanzleien, Depotbanken, IT-Firmen. “Die Wertschöpfung deutscher Häuser an dem Standort dürfte bei bis zu drei Milliarden Euro jährlich liegen”, sagte ein Branchenexperte.

Der Umschwung sei markant, so das Handelsblatt. Noch im ersten Finanzkrisenjahr 2007 sammelten deutsche Investmenthäuser laut Kommalpha über ihre in Luxemburg aufgelegten und dann hierzulande angebotenen Publikumsfonds für Privatanleger netto 39,2 Mrd. Euro ein. Die gleichen Anbieter mussten dagegen bei den ohne Umweg direkt in Deutschland lancierten Produkten Anteilsscheine für netto 7,4 Mrd. Euro zurücknehmen.

Seit Anfang 2009 habe sich das Bild gedreht: Nettoabzügen aus Luxemburger Fonds von 5,4 Mrd. Euro stehen 6,2 Mrd. Euro an Zuflüssen bei den deutschen Produkten gegenüber. Auch bei den Neuauflagen liegt Deutschland inzwischen wieder an der Spitze. Seit Jahresbeginn legten hiesige Häuser in Deutschland laut Branchenverband BVI 100 Produkte auf, im Nachbarland lediglich 87.

Die Finanzkrise habe diese Umkehr bewirkt. Bis vor zwei Jahren seien “Finanzinnovationen” Absatzschlager gewesen. Bei Fonds gelte das beispielsweise für Garantieprodukte, Produkte mit komplexen Anleihen wie ABS und für Geldmarktfonds mit Beimischung von höher rentierlichen und später als riskant eingestuften Anlageinstrumenten. “Fast alle diese Fonds wurden in Luxemburg aufgelegt, unter anderem weil die Anlagevorschriften dort als liberaler galten; außerdem war die Zulassung schneller und einfacher”, sagte Christoph Scherer, Unternehmensberater und Initiator der Plattform Fundlounge.

Gegenwind habe Luxemburg durch den Schwenk der Anleger, die in der Krise wieder auf konservative Produkte setzten – und bis heute setzen, bekommen. Diese Produkte seien eher in Deutschland aufgelegt worden. In die gleiche Richtung habe die Lehman-Pleite im Oktober 2008 gewirkt. Lehman habe die Investoren in ihrer Risikoscheu gestärkt, weil das vorher eher theoretische Thema Ausfallrisiko plötzlich real wurde.

Nach Ansicht mancher Beobachter habe auch der im Dezember aufgedeckte Betrugsfall Bernard Madoff den Standort Luxemburg belastet. Ein Luxemburger Fonds hatte bei Madoff Geld angelegt, was nicht aufgefallen war. “Solche Manipulationen wären bei in Deutschland aufgelegten Fonds wohl kaum möglich gewesen, denn die Buchungs- und Kontrollregel nach dem Vier-Augen-Prinzip ist im deutschen Investmentrecht verankert”, sagte Schürhoff. Das hieße: Hierzulande müssten die für die Wertpapierverwahrung zuständige Depotbank und die Anlagegesellschaft den Wert der im Fonds gehaltenen Vermögensgegenstände und den daraus abgeleiteten Fondsanteilspreis berechnen. In Luxemburg könne das die Gesellschaft allein.

Luxemburg nicht aufgeben

Trotz der aktuellen Zahlen würden laut Handelsblatt manche Experten warnen, das Nachbarland vorschnell abzuschreiben. Laut Zeller lieferten die aktuellen Daten nur eine Momentaufnahme. Vorerst bleibt der Standort beliebter Anlaufpunkt für internationale Gesellschaften mit paneuropäischem Vertriebsziel, weil dort viele nötige Spezialisten wie Juristen oder Wirtschaftsprüfer auf engsten Raum versammelt seien. Und Jochen Wiesbach, Geschäftsführer des Fondshauses DWS, sagte: “Auch in diesem Jahr haben wir fast alle neuen Produkte in Luxemburg aufgelegt, teilweise weil sich für unsere internationale Absatzstrategie Luxemburg als zentraler Auflagestandort besser eignet.”