Es sind noch drei Minuten und 41 Sekunden auf der Spieluhr in der Arena Trier, als Dru Joyce den rechten Arm hebt. Drei Minuten und 41 Sekunden hat die TBB noch Zeit, die Sensation zu schaffen, nach der es beim Stand von 65:70 hier mittlerweile riecht – und wenige Sekunden hat Dru Joyce noch Zeit, um im Rückwärtslaufen in die klassische Verteidigungshaltung (Hintern raus, Hände an die Oberschenkel) zu wechseln. Berlins Point Guard DaShaun Wood, den Joyce über weite Strecken hervorragend an die Kette legen konnte, kommt mit dem Ball auf ih zu getrabt. Die beiden trennen beim klassischen Point-Guard-Duell noch wenige Meter auf Höhe der Mittellinie, als Dru Joyce mit dem rechten Arm wedelt, die 5134 Zuschauer auffordert, sein Team zu unterstützen. Bis auf einen Zuschauer folgt die Arena seiner Anweisung und erhebt sich – alle wissen, dass die TBB Trier hier nach der Halbzeitpause ein Riesenspiel gezeigt hat und in dreieinhalb Minuten auf dem Parkett viel passieren kann. Sehr viel.

Dabei hatte ALBA BERLIN, der Papierform Rechnung tragend, die Partie in der Halle des Tabellenvierzehnten bis zur großen Pause klar dominiert. Das dieses Jahr hervorragend besetzte Team von der Spree konnte sich viel zu einfach bis zum 4:10 absetzen, Trier agierte anfangs nervös, kam den berühmten Schritt zu spät. Der berühmte Ruck ging durch die Mannschaft, als Nate Linhart die Energie aufs Parkett brachte, die man in Trier mittlerweile von ihm schätzt: Der 24jährige Flügelspieler aus Ohio punktet selbst nach eigenem Rebound und bedient dann Philip Zwiener nachdem er Berlins NBA-Veteran Kyle Weaver den Ball klauen konnte. Weavers Kreise hatte er ohnehin in dieser Phase empfindlich gestört.

Drei Minuten vor Ende des ersten Viertels, es steht 10:14, wechselt Henrik Rödl Nate Linhart aus und Neuzugang James Washington ein – der Applaus ist für beide mehr als nur anerkenend. Washington gibt eine gute Figur ab, hat zwar Wurfpech bei seinem ersten schnellen Dreier, kann aber kurz darauf zum 12:14 einlegen – ein guter Einstand für den Rookie.

Dennoch: ALBA war bereits jetzt zu stark für die TBB, der bewegliche Center-Hüne Torin Francis stellte Maik Zirbes vor arge Probleme und kam immer wieder locker durch – ein Problem, das Andi Seiferth zwar besser anging, aber auch nicht lösen konnte. Trier litt zudem an einer zu schwachen Trefferquote (47% nach dem ersten Viertel). Den ersten Schlusspunkt nach 10 Minuten setzte John Bynum mit einem sehenswerten Sprint übers ganze Feld, den er mit einem Korbleger zum 16:22 abschließen konnte – symbolisch für das Spiel: Trier hatte Chancen, würde aber viel rennen müssen, um sich diese zu erarbeiten.

Die Berliner machten im zweiten Viertel ernst, und das mit einer schon beängstigenden Mühelosigkeit – ein Team von diesem Format kann jederzeit einen Lauf einschieben, der ein spiel vorentscheiden kann. In kürzester Zeit war ALBA auf 20:35 davongezogen – dank einer gut organisierten Press-Verteidigung und schönen Aktionen am offensiven Brett. Die Aktion des Spiels lieferte Bryce Taylor, der von weit draußen anflog, um sich einen Rebound zu sichern und ihn noch im Flug durch die Trierer Reuse zu stopfen – ALBA zeigte jetzt großen Sport, führte mit 20:35, Auszeit Trier. Die TBB kommt mit ihrem unbändigen Kampfeswillen nochmals zurück, Nate Linhart lässt seine schnellen Hände gegen Marko Simonovic spielen und trifft zum 22:35, die Reboundarbeit verbessert sich, Dru Joyce kann kurz vor der Pause auf 31:42 verkürzen, doch Torin Francis nimmt Maik Zirbes noch eine wichtigen Rebound ab und markiert den – realistischen – Halbzeitstand von 31:44.

Doch Trier kämpft sich wieder ins Spiel, Nate Linhart ackert in der Verteidigung wie ein Verrückter, hat am Ende den Liga-Bestwert von sechs Ballgewinnen auf dem Zettel, John Bynum und Draga Docjin tun es ihm gleich und üben großen Druck auf die Berliner Offensive aus. ALBAs Vorsprung schmilzt, und als Dru Joyce unter dem gellenden Jubel der Zuschauer einen Dreier zum 42:49 trifft, muss Berlins Coach Gordon Herbert die fällige Auszeit nehmen. Doch der Trierer Lauf hält an, die TBB kompensiert jetzt die spielerische Überlegenheit Berlins mit Kampfeswillen und voller Konzentration – bis auf 57:59 (Zwiener) können sich die Männer von Henrik Rödl heranarbeiten, mit 57:61 geht es in die letzte Viertelpause einer bis jetzt starken Partie.

Trier rannte weiter unbeirrt gegen die Verteidigung der Gäste an, konnte sich ein ums andere Mal durchsetzen – doch Berlin wäre nicht Berlin, wenn sie in solchen Situationen nicht die richtigen Antworten parat hätten. Heiko Schaffartzik, Yassin idbihi und Kyle Weaver halten die Trierer trotz aller Bemühungen immer wieder auf Distanz – bis zur eingangs beschriebenen Szene 3:41 Minuten vor Schluss. Das Publikum tobt, als Nate Linhart sich mit Foul zum 67:70 durchsetzt. Den Bonusfreiwurf trift er nicht, kurz darauf ist es aber Dru Joyce, der Kyle Weaver den Ball aus den Händen spitzelt und zum 70:72 einlegt. Noch 55 Sekunden, Crunch Time in der Arena, und die TBB hat eines der stärksten ALBA-Teams der letzten Jahre am Rand der verdienten Niederlage.

Jedoch, auch hier bleibt Berlin doch Berlin – Heiko Schaffartzik, der bessere Point Guard des deutschen Nationalteams, behält die Nerven und markiert das 70:74 – auf der Gegenseite finden zwei, vielleicht zu schnelle, Dreier von Joyce und Linhart nicht ihr Ziel. ALBA bleibt auch an der Freiwurflinie cool, schnelle Punkte von Linhart und Zwiener sind nur noch Ergebniskosmetik. Die TBB Trier verliert nach großem Kampf mit 74:78 – ein enttäuschendes Ergebnis, aber eine Leistung die Mut für die nächsten Spiele macht.

Das sah auch Henrik Rödl abschließend so: “Dieses gute Spiel wird uns Auftrieb geben. Wir werden weiter kämpfen, weiter aggressiv spielen, dann werden die Siege auch kommen.“ Das ist insbesondere dann realistisch, wenn Neuzugang James Washington an seine gezeigte Leistung anknüpfen kann – er wirkte bereits jetzt voll integriert, aggressiv und schnell auf den Füßen. Die TBB braucht angesichts schwacher Dreierquoten (heute 2/12) dringend einen “Vollstrecker” – Washington könnte bereits im nächsten Spiel so einer sein.

(Foto: Thewalt)