Pressefreiheit wird neu gefasst
Veröffentlicht
von
KaptanListe
am 15/03/2004 um 00:03
Meinungsfreiheit und Pressefreiheit hängen seit jeher eng zusammen. Wie
wichtig diese sind, braucht man hier wohl nicht besonders zu betonen. Auch nicht
hervorheben, dass sich in den letzten Jahrzehnten vieles getan hat im Bereich
der elektronischen Medien sowie im Hinblick auf Internet-Kommunikation, was
mit den bislang geltenden Rechtsregelungen schlecht abgedeckt war.
Der Luxemburger Gesetzgeber ist daher jetzt zu dem großen Wurf angetreten,
in einem neuen Mediengesetz alle einschlägigen Bestimmungen zusammenzufassen
und den Erfordernissen der Gegenwart anzupassen.
Wer darf einen namentlich gezeichneten Beitrag abändern?
Kurz vor Toresschluss ist nun “Tageblatt”-Herausgeber Alvin Sold
mit einer massiven Kritik der Gesetzesvorlage hervorgetreten. Er spricht von
einer schädlichen Tendenz zur Überreglementierung und warnt vor einer
zu erwartenden Prozessflut, insbesondere auch durch die Akzentuierung bereits
anderswo vorhandener zivil- und strafrechtlicher Bestimmungen.
In dem Text des vorgeschlagenen Gesetzes stehe vieles drin, was besser woanders
zu regeln sei (subsidiär in Kollektivvertrag, Hausvertrag, Arbeitsvertrag,
Deontologie des Presserats, …). Wirklichkeitsfremd sei die Bestimmung, dass
ein Journalist sich dagegen wehren dürfe, dass an einem Artikel, der unter
seinem Namen erscheine, etwas inhaltlich abgeändert werde. Die Vorschrift,
dass eine Zeitung ihre herausgeberische Linie dokumentieren solle, nur um Journalisten
bei deren Änderung ein Kündigungsrecht einzuräumen, falle unter
dieselbe Kritik.
Herausgeber-Linie und Journalisten-Gewissen
Merkwürdig berührt dann vor allem noch die Darstellung, dass sowohl
die Verbände der Journalisten wie der Verleger wie auch der angeblich aktionsunfähige
Presserat ihre Chancen nicht genutzt hätten, bei der Ausarbeitung des Gesetzesprojektes
mitzuarbeiten bzw. ihre Stellungnahmen abzugeben.
Eines ist wohl sicher: Mit einem neuen Gesetz kann man nur schwerlich die eingefahrenen
Sitten ändern. Man kann so freilich die herrschenden Sitten gegen ein neues
Gesetz ins Spiel bringen.
Kaum sind jedoch diese auch schon dadurch gerechtfertigt, dass sie so sind,
wie sie sind.
Das Grundproblem, die Grundlagen der Meinungs- und Pressefreiheit institutionell
abzusichern, bleibt dann nach wie vor bestehen.
Quelle: Alvin Sold, “Das neue Mediengesetz ist nicht gut”, “Tageblatt”
6./7.3.2004, www.tageblatt.lu
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Hamisso
Die taz hat das Verfahren gegen einen gewalttätigen Nationalsozialisten gewonnen. Dieser hatte die Tageszeitung wegen der Veröffentlichung der Bilder seiner Tat samt Namensnennung gerichtlich verbieten lassen wollen.
Das OLG Braunschweig wies dieses Begehren mit Beschluss vom 30.6.2004 zurück.
„Er ist (...) durch die von ihm öffentlich begangene Tätlichkeit (...) mit unübersehbar zeitgeschichtlichem Bezug zu einer auf diesen zeitlich und thematischen Zusammenhang bezogenen Person der Zeitgeschichte geworden, sodass er sich aus diesem Gunde (....) eine bildliche Wiedergabe seines gewalttätigen Verhaltens in der Presse gefallen lassen muss. Soweit der Antragsteller geltend macht, der abgebildeten Tätlichkeit (...) fehle die für eine Veröffentlichungsbefugnis erforderliche Tatschwere, ist darauf hinzuweisen, dass dies Anforderungen sind, die für Berichte über in der Vergangenheit liegende Straftaten (...) gelten. Vorliegend ist der Antragsteller dagegen bei einer Tat abgelichtet worden, die er unter den Augen einer breiten Öffentlichkeit anlässlich eines Ereignisses begangen hat, das seine Aktualität nach wie vor nicht eingebüßt hat. (...) Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihn die angegriffene Verbreitung der Bildserie in seinen berechtigten Interessen verletzt. Wer derart vor den Augen der Öffentlichkeit agiert (...), muss es sich gefallen lassen, (...) vor der an der Berichterstattung über dieses Ereignis interessierten Öffentlichkeit wiedergegeben zu werden.“
[Johnny Eisenberg, „Den Schläger beim Namen nennen“, DIE TAGESZEITUNG 28./29.8.2004 www.taz.de]
Hamisso
Ein Staatsgeheimnis bleibt ein Geheimnis, auch wenn ein Journalist davon erfährt. Wenn er es weitergibt, wird er zum Verräter!
„Ech denken, datt d’Press absolut fräi ass fir iwwert de Geheimdéngscht ze schreiwen, a si ka schreiwe wat se wëllt. Wann do sollte Mëssstänn existéieren, dann ass et hir Aufgab an da ka si dat fräi maachen, fir dat ze rapportéieren a fir dat ze publizéiren. Dat eenzegt wat se net däerf, esou gesäit den Text dat vir an den Text seet: Quiconque sech dem Geheimnisverrot schëlleg mécht, kritt déiselwecht Strofen. Dat wat se net däerf, dat ass ebe Geheimnisser verroden, déi jo nun awer emol kënnen a Connaissance vun engem Journalist kommen.“
[Lucien Weiler, rapporteur, 8. 5133 – Projet de loi portant du Service de Renseignement de l’Ètat, 66e Séance, 19. Mai 2004, ww.chd.lu]
In dem neuen Gesetz wird der Geheimdienst erstmalig einer parlamentarischen Kontrolle unterstellt. Er kann lt. Gesetz max. 60 Leute umfassen.
Hamisso
Diese ganz simple Frage
konnte das Amtsgericht Berlin Tiergarten im Falle BILD Berlin-Brandenburg binnen zweier Tage nicht aufklären, trotz V.i.S.d.P. im Impressum dieses Blattes.
Aufgrund widersprüchlicher Äußerungen von Redakteuren und deren Rechtsvertretern meinte der Staatsanwalt:
„Von außen betrachtet ist das ein Hühnerhaufen, wie es für einen so großen Konzern nicht nachzuvollziehen ist.“
Dem Gericht drängte sich ebenfalls der „Eindruck auf, bei Springer werde das Impressum etwas lax gehandhabt.“
[Steffen Grimberg, „Gedruckter Hühnerhaufen. Heiteres Beruferaten bei der ‚Bild’-Zeitung: Wer ist eigentlich wofür verantwortlich? Bei einem Prozess in Berlin wurde das Impressum-Chaos bei Springers Boulevardblatt verhandelt“, DIE TAGESZEITUNG 19.8.2004, S. 17, www.taz.de]
Der taz-Autor fragt schließlich:
„Sollten Bild jetzt Klagen wegen der problematischen Impressen drohen, stellt sich eine neue Frage mit ähnlicher Brisanz: Wer ist eigentlich dafür verantwortlich?“
Meffo
Wie gewohnt, informiert uns das „Luxemburger Wort“ auch am 24. Juli wieder in seiner gründlichen Art über Neues auf der Luxemburger Szene.
„Alle Menschen sind gleich, auch Journalisten“ lautet die viel versprechende Überschrift. Es geht um das neue Buch des Maître Gaston Vogel, in der Öffentlichkeit bekannt mindestens aus den Prozessen, in die der „Feierkrop“ sich ständig verwickelt („Wenn einer Erfahrung mit Luxemburger Presserecht und vor allem auch mit dessen praktischer Anwendung hat, dann ist das Me Gaston Vogel.“ LW. Und natürlich der „Feierkrop“! - so doof er manchmal aussieht).
Wie man sieht, Journalisten können nicht nur Advokaten Brot und Arbeit geben. Darüber lässt sich auch ganz manierlich ein juristisches Meisterwerk schreiben.
Dass es sich um ein solches handeln muss, wird sofort aus der Rezension des LW spürbar:
„Auf die ihm eigene, ebenso kritische wie fundierte Art“ zieht sich „Vogel Hauptkritik“ „wie ein roter Faden durch sein Werk: Mit dem Gesetz wurde in wesentlichen Punkten dem Druck der Profession, sprich den Journalisten, nachgegeben. Vor allem dann, wenn es um die Bestimmungen über die zivilrechtliche Verantwortung der Bürger geht. (...) Angesichts der Fülle an medialer Information und der immer größer werdenden Bedeutung der Ware Information sieht der Autor de verbrieften Rechte des einzelnen Bürgers in Gefahr. Medienschaffende dagegen seien an keinerlei stringente Auflagen gebunden. ‚Nichts als Literatur’, schreibt Me Vogel.“
["Le Nouveau Droit de la Presse“, Éd. promoculture, 57,90 € - www.promoculture.lu]
Hamisso
Gaston Vogel, „Le nouveau droit de la presse au Luxembourg“, Éditions Promoculture, B.P. 1142, L-1011 Luxembourg,
www.promoculture.lu,
Kaufpreis 57,90 €
Kritische Analyse des Gesetzes vom 8. Juni 2004, einschließlich der vorausgegangenen Diskussion im Luxemburger Parlament sowie der luxemburgischen Rechtsprechung wie der einschlägigen Entscheidungen des Straßburger Gerichtshofes.
Hamisso
Das luxemburgische Satireblatt hatte einen hohen Beamten schon verurteilt, bevor das Gericht geurteilt hatte. Die Unschuldsvermutung gelte auch für Presseberichte und Satire.
Der Rechtsanwalt Gaston Vogel hat laut LW noch weitere 4 Klagen gegen Feierkrop in petto.
(Luxemburger Wort, 12.6.2004)
Ein anderer aktueller Fall aus Deutschland:
Der Tageszeitung (www.taz.de) wurde von einem deutschen Gericht auf Ersuchen eines prügelnden Demonstranten untersagt, dessen Namen öffentlich zu nennen, obwohl der Tathergang und die Identität eindeutig durch Digitalfotos nachzuweisen war. Polizisten standen daneben und haben später auch Personalien und Anzeige entgegen genommen.
Meffo
Gerichtsurteil:
http://www.feierkrop.lu/archdocs/kotprozess.htm
Hamisso
Im Streit zwischen Rob Roemen und Innenminister Michel Wolter hat nach 6 Jahren die Ratskammer des Bezirksgericht Luxemburg das Strafverfahren eingestellt.
Dem Chefredakteur des „Journal“ wurde eine Veröffentlichung des persönlichen Steuerbescheids an den Minister (in dessen Funktion als Tennispräsident) vorgeworfen. Um die undichte Stelle in der Administration de l’Enregistrement herauszufinden, wurden Hausdurchsuchungen veranstaltet und Telefongespräche des Redakteurs mit Parlamentsabgeordneten abgehört. Die derart zustande gekommenen „Beweise“ wurden jedoch letztlich vor Gericht nicht akzeptiert.
[(lm), „Affäre Wolter/Roemen/Enregistrement. Ein Sieg für die Pressefreiheit“, Tageblatt 30.4./12.5.2004]
Meffo
„Meng Elteren, Gesëschter, Kanner a Kandskanner hunn et net néideg a verdéngt, fir vun armséilegen a frustréierten ‚Näischterten’ als ‚KOT’ an den Dreck gezunn ze ginn; ech selwer verbidde mir, duerch mäi Gehéier-Handicap als ‚taube Nuss’ an duerch meng Iwwerzeegung als fräie Biirger a President vun hirer Restauratioun an der Saach vun der Gëlle Fra als Nazi tituléiert ze ginn. Mat deene geniale ‚Satiriker’ an hire bedauerleche Komplexer huelen ech et gär, zu jidder Zäit an op all Maníer op. Si sollen sech anuecht huelen: Wann si sech net ginn, da geet et wieder. Et gëtt nun emol Saachen, déi ‚net ginn’!“
[Lex Roth, Leserbrief im „Tageblatt“ vom 8./9.5.2004]
Hamisso
„Presserechtlich ist das Urteil interessant, als das Urteil auf die Grenzen der Satire hinweist:
'Il n’existe pas d’impunité de principe pour l’humoriste et sa liberté d’expression doit respecter certaines limites.'
Und weiter:
Satire autorisiere weder die Schädigung des Rufs noch der Ehre. Sie rechtfertige auch keine Beleidigung oder eine Verletzung der Intimsphäre.“
[„Die Grenzen der Satire“, (ari) „Luxemburger Wort“ 8.5.2004]
Meffo
DNF (www.feierkrop.lu) muss Herrn Lex Roth 2.500 € zahlen, weil er diesen in „Lex Kot“ umbenannt hatte.
„La déformation du nom d’une personne dans un journal satirique dans le but de faire rire n’est pas fautive en soi. Cependant,, si, comme en l’espèce, la déformation aboutit à l’emploi d’un nom outrageusement méprisant et dépréciatif: ‚Kot’ (boue, crotte, excréments) pour désigner la personne et que l’emploi répété du nom déformé est de nature à créer une association entre ce nom et la personne désignée, l’exposant ainsi au mépris ou au ridicule, la déformation répétée prend un caractère injurieux et est fautive.“
So der Berufungsgerichtshof Luxemburg in seiner Urteilsbegründung.
[„DNF in zweiter Instanz verurteilt“, (lmo) Tageblatt 6.5.2005]
Es muss wohl für immer dahingestellt bleiben, inwieweit die juristisch feinen Unterschiede des Lächerlichmachens, die das Gericht hiermit gezogen hat, jedermann objektiv nachvollziehbar sind.
„Taube Nuss“ darf DNF sagen; aus „Roth“ „Kot“ machen nicht.
Niemand sollte als Mensch oder Person entwürdigt werden, auch nicht in einem Text, der sich als Satire versteht. Doch wenn für die Grenzen der Entwürdigung keine objektiven Maßstäbe gefunden werden – wer kann es dann noch wagen, sich satirisch zu äußern?
Meffo
Kneip Communication hat in einem offiziellen Schreiben an lesfrontaliers.lu darauf bestanden, aus dem LASDAQ herausgenommen zu werden.
Dort können sich bekanntlich Kenner und angebliche Kenner der Szene zu den Arbeitsbedingungen eines Unternehmens frei äußern.
http://www.lesfrontaliers.lu/edito.php?edito_id=1253
Kneip, das Kommunikation verkauft, wünscht somit nicht selber zum Gegenstand von Kommunikation zu werden.
Na schön! Es verbietet sich daher, dass ich hier von einer moralischen Bankrotterklärung spreche.
Meffo
Es wurden gewählt: Patrick Thery, Lucien Montebrusco, René Hoffmann, Roger Infalt, Jean-Marie Backes.
Es wurde ebenfalls eine Resolution verabschiedet, die den Gesetzgeber auffordert, das umstrittene Gesetzesprojekt zur Neufassung der Pressefreiheit aufzuschieben. Es bestehe hierzu noch ein erheblicher Diskussions- und Abstimmungsbedarf.
Hamisso
Das „Tageblatt“ erinnert in seiner heutigen Ausgabe daran, dass sein Erscheinen 1933 in Deutschland verboten worden war. Es ist gut, wenn es heutzutage wieder einmal um das Thema Pressefreiheit geht, an solche Ereignisse zu erinnern.
Dabei stellt sich sicherlich zu Recht auch die Frage, warum ein solches Verbot mit nachfolgendem Prozess in Luxemburg gerade dieses Blatt getroffen hatte, und nicht andere.
Grundsätzlich bleibt jedoch die Frage gestellt: Welche Lehren können wir heute aus der Geschichte ziehen?
Hamisso
Die herrschenden Ideen sind die Ideen der Herrschenden, hat ein Trierer mal gesagt.
Fraglich, ob Journalisten stets brauchbare Ideen haben – aber Fragen von Macht, Geld und Politik kommen den Hütern der Information und der freien Meinung ständig in die Quere.
Am 24. März kamen die neuen Mitglieder des Presserates zu einer ersten Sitzung zusammen. Auf den Präsidenten konnten sie sich gerade noch einigen (Charles Ruppert, Groupe Saint-Paul). Doch schon über das erste Kommuniqué kam es zu Unstimmigkeiten: Es sei nicht abgestimmt worden untereinander.
Die Diskussion geht nun darum, ob das neue Mediengesetz noch des Weiteren diskutiert werden muss.
Derlei Diskussion um den Diskussionsbedarf erinnert an ein Tauziehen hinter Kulissen. Das neue Mediengesetz, wenn es dann gekommen sein wird, wird sich wohl alles andere als ein klarer Konsens darstellen.
Doch Konflikte sind ja das Lebenselixier der Freiheit – und darum geht es doch letztlich Journalisten wie Verlegern.
Meffo
„Goethe sagt einmal, dem Maler glückten nur solche weibliche Schönheiten, deren Typus er wenigstens in irgendeinem lebendigen Individuum geliebt habe. Auch die Preßfreiheit ist eine Schönheit – wenn auch gerade keine weibliche – die man geliebt haben muß, um sie verteidigen zu können. Was ich wahrhaft liebe, dessen Existenz empfinde ich als eine notwendige, als eine, deren ich bedürftig bin, ohne die mein Wesen nicht erfülltes, nicht befriedigtes, nicht vollständiges Dasein haben kann. Jene Verteidiger der Pressfreiheit scheinen vollständig da zu sein, ohne dass die Pressfreiheit da wäre.“
[„Die Verhandlungen des 6. rheinischen Landtags. Von einem Rheinländer“, „Rheinische Zeitung“ Nr. 125 vom 5. Mai 1842]