Am 26. Mai 2011 haben Deutschland und Luxemburg eine Verständigungsvereinbarung unterzeichnet. Damit wird die Anwendung des Art. 10 DBA Luxemburg konkretisiert. Dort ist geregelt, wie nun das Gehalt der Grenzgänger im Detail aufgeteilt wird, wenn sie außerhalb Luxemburgs arbeiten. 

Neu ist insbesondere die Bagatell-Grenze von 19 Tagen. Wer bis zu 19 Tage außerhalb Luxemburgs arbeitet, muss diesen Lohnanteil nicht in Deutschland versteuern. 

Für alle anderen bleibt es beim Alten: Ausgehend von den vertraglich vereinbarten Arbeitstagen, wird der Lohn anteilig in Deutschland versteuert.

Neu ist auch die Regelung, dass Lohnfortzahlung und Mutterschaftsgeld in Deutschland nicht versteuert werden. Diese Beträge können also vom Bruttolohn in Abzug gebracht werden, müssen jedoch unter Progressionsvorbehalt in Deutschland versteuert werden.

Nicht gelöst, ja nicht einmal erwähnt, wurden die Probleme um die Besteuerung der Abfindung sowie der Freistellungstage.

Gerade im Rahmen von Sozialplänen wurden und werden hunderte von Grenzgängern monatelang freigestellt und erhalten obendrauf noch eine Abfindung. Sowohl Deutschland als auch Luxemburg beanspruchen hierfür immer noch das Besteuerungsrecht. In aktuellen Arbeitsrechtsstreitigkeiten wird dies nämlich deutlich. Es darf daher nun ernsthaft gefragt werden, ob mit der Verständigungsvereinbarung nun wirklich ein Schlussstrich unter sämtliche Verhandlungen gezogen wurde und diese beiden Fragen nach wie vor offen bleiben, oder ob es hier tatsächlich noch eine nachträgliche Ergänzung geben wird.

Gerade bei den vorgenannten beiden Punkten geht es um erhebliche Steuerbeträge. Insbesondere die luxemburger Beamten haben auf die luxemburgische Besteuerung beharrt. Es verwundert daher sehr, dass nun weder in der Verständigungsvereinbarung noch in sonstigen Pressemeldungen diese beiden Punkte erwähnt werden.

Was bedeutet dies nun für die Grenzgänger:

1.    Diejenigen, die ihre Steuererklärungen berichtigt haben, hatten Bescheide mit Vorläufigkeitsvermerk erhalten. Diese Bescheide werden nun geändert, soweit es die Vereinbarung betrifft. Man wird gespannt sein, ob bezüglich der Freistellung und Abfindung die Steuerbescheide dann endgültig werden oder wiederum vorläufig bleiben.

2.    Die eingereichten und noch nicht bearbeiteten Steuerberichtigungen werden ab sofort nach Maßgabe der Vereinbarung vom Finanzamt beschieden. Es ist davon auszugehen, dass es also bei der Abfindung und Freistellung weiterhin bei einer Doppelbesteuerung bleibt.

3.    Bei den noch nicht eingereichten Steuerberichtigungen wird die neue Vereinbarung sofort von den Steuerberatern anzuwenden sein. Es stellt sich die Frage, ob in eindeutigen Fällen, also bei weitem Unterschreiten der 19 Tage, dann überhaupt Formulare ausgefüllt werden müssen oder nicht. Soweit das Finanzamt jedoch die Steuererklärung angefordert hat, dürfte dies unrelevant sein. Die Steuererklärung muss also trotzdem in vollem Umfang abgegeben werden.

4.    Sollten Grenzgänger bislang lediglich Fragebögen erhalten, könnte sich dann bereits in diesem Stadium durch Beantwortung der Fragen die Abgabe der Steuererklärung erübrigen.

5.    Bei laufenden Straf- beziehungsweise Ermittlungsverfahren muss auch hier die Verständigungsvereinbarung rückwirkend auf alle offenen Fälle angewendet werden. Es ist zu erwarten, dass hier nun dutzende Verfahren eingestellt werden, soweit weniger als 20 Tage im Streit stehen.

6.    Die nun bislang in Luxemburg gestellten Anträge auf Erstattung nach dem Doppelbesteuerungsabkommen werden nun abgearbeitet. Luxemburg hatte im März die Bearbeitung dieser Anträge gestoppt und wollte den Abschluss der Verständigungsvereinbarung abwarten. 

Da allerdings die dicksten Fische, nämlich Abfindung und Freistellung, immer noch nicht geklärt sind, kann man gespannt sein, wie die luxemburger Finanzverwaltung hier reagiert.

7.    Bei allen Fällen, in denen die Steuererklärungen in Luxemburg unter Berücksichtigung der in Deutschland bereits versteuerten Auswärtstage angegeben wurde, müsste diese noch einmal korrigiert werden. 

Wer also schon alte deutsche Steuerbescheide bei der luxemburger Besteuerung berücksichtigt hat, muss hier noch einmal prüfen, ob es um mehr oder weniger als 19 Tage ging. 

8. Die Verständigungsvereinbarung hindert die Finanzbehörden nicht daran, weiterhin Fragebögen an Grenzgänger zu versenden. Denn nach wie vor muss ermittelt werden, welche Anzahl von Tagen der Grenzgänger außerhalb Luxemburgs leistet. Erst wenn alle Grenzgänger befragt wurden, wird daher Ruhe einkehren. Dies kann allerdings noch einige Monate dauern.

Quelle:
Stephan Wonnebauer, Avocat à la Cour, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Trier – Luxemburg
 

Vorankündigung:

Für weitere Fragen zu diesem Thema und für allgemeine Steuerfragen veranstaltet diegrenzgaenger.lu am Freitag, 10. Juni, von 11-12 Uhr wieder einen Steuerchat mit Grenzgängerexperte Stephan Wonnebauer.