Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat Arbeitgeber in der EU in einem aktuellen Urteil dazu verpflichtet, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter systematisch und vollständig zu erfassen (Az: C-55/18).

Der EuGH begründet seine Entscheidung damit, “dass ohne ein System, mit dem die tägliche Arbeitszeit eines jeden Arbeitnehmers gemessen werden kann, weder die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden und ihre zeitliche Verteilung noch die Zahl der Überstunden objektiv und verlässlich ermittelt werden kann, so dass es für die Arbeitnehmer äußerst schwierig oder gar praktisch unmöglich ist, ihre Rechte durchzusetzen.”

Die Richter in Luxemburg urteilten demnach im Sinne der EU-Arbeitszeitrichtlinie und der Grundrechtecharta der Europäischen Union.

Die Mitgliedsstaaten der EU werden darin aufgefordert, Unternehmen zu einem objektiven, verlässlichen und zugänglichen Zeiterfassungssystem zu verpflichten.
Wie die einzelnen Länder das gestalten, bleibt ihnen überlassen.
Sie können aber auf Besonderheiten eines Tätigkeitsbereichs und “Eigenheiten bestimmter Unternehmen” eingehen.
So könne zum Beispiel die Größe eines Unternehmens bei der Entscheidung für ein Erfassungssystem beachtet werden.

EuGH-Urteil verändert Arbeitswelt

Das Urteil könnte große Auswirkungen auf den Arbeitsalltag auch in Luxemburg und Deutschland haben.
Denn längst nicht in allen Branchen werden Arbeitszeiten systematisch erfasst.
Auch Heimarbeit oder Außendienst müsste demnach künftig registriert werden, etwa über Apps oder elektronische Erfassung am Laptop. Wird abends von zuhause eben noch dienstlich telefoniert oder werden E-Mails geschrieben, könnte auch dies unter die Pflicht zur Erfassung fallen.

Gewerkschaften reagierten erfreut. Für die deutschen Arbeitgeber wirkt die Entscheidung aber wie aus der Zeit gefallen. „Wir Arbeitgeber sind gegen die generelle Wiedereinführung der Stechuhr im 21. Jahrhundert“, teilte die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände mit.

Regelungen für Grenzgänger müssen angepasst werden

Besonders für Grenzgänger könnte die Entscheidung nicht nur von Vorteil sein.
Man stelle sich vor, jede Kleinigkeit, die man zu Hause noch mal eben schnell erledigt, wird arbeitszeitlich erfasst.
Denn dann würde dies eigentlich auch aus steuerlicher Sicht als Arbeitszeit in Deutschland gelten.

Hintergrund ist Klage spanischer Gewerkschaft gegen Deutsche Bank

In dem Fall vor dem EuGH hatte eine Gewerkschaft in Spanien geklagt. Dort besteht nur eine Pflicht zur Aufzeichnung der Überstunden. Die Gewerkschaft argumentierte, nur bei Erfassung aller Stunden lasse sich diese Vorgabe erfüllen. Sie wollte den dortigen Ableger der Deutschen Bank zur Einrichtung eines Registriersystems für die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter verpflichten. Die Deutsche Bank berief sich auf das spanische Recht und hielt dagegen. Der EuGH entschied zugunsten der Gewerkschaft und formulierte die Vorgabe an alle EU-Mitgliedsstaaten, Arbeitgeber zu Systemen der Arbeitszeiterfassung zu verpflichten.