Wenn eine Geschäftsleitung oder eine Regierung einen externen “neutralen” Berater einschaltet, darf man
zurecht skeptisch sein.
Gewöhnlich erhält der Auftraggeber nur für teures Geld dasjenige wiederholt, was er oder zumindest Otto Normalverstand sowieso schon weiß, aber nur die sog. “Entscheidungsträger” bislang nicht umzusetzen gewagt hatten.
Entweder verschwinden all die guten, wahren und teuren Worte hernach wieder in der Schublade. Oder es werden dann diese Gutachten nur als Rückendeckung verwandt für Entscheidungen, die man sowieso schon zuvor getroffen hat.

Es ist wohl ein Verdienst des Berichts des französischen Wirtschaftsprofessors im Auftrag der Tripartite, dass er nicht nur solche allgemein bekannten Wahrheiten über den Wirtschaftsstandort Luxemburg versammelt und aufs Neue ins rechte Bild gerückt hat.
Er setzt auch insofern bislang ungehörte Akzente, indem er Lösungsvorschläge etwa zur Koppelung von gesetzlichem Mindestlohn und von Maßnahmen zur beruflichen Fortbildung unqualifizierter Arbeitskräfte zur Diskussion stellt.

Es weiß mittlerweile wohl jeder, dass das Großherzogtum sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen darf, wenn es weiterhin seinen Spitzenplatz verteidigen möchte.

Die Lissabon-Strategie ist europäisch vorgezeichnet. Es weiß auch ein jeder in Luxemburg, dass im Hinblick auf Bildung, Ausbildung und Forschung, im Hinblick auf Informatik- und Verkehrsinfrastrukturen und eGovernment noch jede Menge zu tun ist.
Statt über nur relativ hohe Lohn- und Sozialkosten zu jammern, muss man jedoch auch damit beginnen, praktische Maßnahmen in Richtung Wissensökonomie umzusetzen und entsprechend zielgerichtet zu finanzieren.

Wer jammert, will nur auf billige Weise die von ihm abverlangte Anpassungsleistung an andere abschieben.
Denn die Wirtschaft ist immer ein Ganzes. Wer selbst nicht investiert, ist von den Investitionen der Anderen abhängig. Kurzfristig lässt sich auch davon gut leben. Aber höchstens das.

Bemerkenswert ist ferner, das der Bericht auch wieder einmal den Luxemburgern ins Bewusstsein ruft, dass sie wirtschaftlich schon immer in der Großregion leben. Statistiken der Wirtschaftsbeziehungen, der Mobilität der Bevölkerung oder auch der Verkehrsinfrastruktur, die an den Landesgrenzen aufhören, sind schlechterdings unbrauchbar fürs wirkliche Leben.

Auch die Abschottung des privatwirtschaftichen und des öffentlichen Arbeitsmarktes gegenüber dem europäischen und außereuropäischen Ausland wird in dem Bericht als Standortnachteil gewertet.

Überraschender Weise wird in dem Ökonomen-Bericht zur Konkurrenzfähigkeit Luxemburgs auch die Frage der Integration der erwerbsfähigen Bevölkerung in das politische System und damit auch die Frage der mehrfachen Staatsangehörigkeit als wichtige Grundfrage eingestuft.

Aber eigentlich auch klar:

Wenn der Beschäftigungsminister etwa ausschließlich von Luxemburger Wahlbürgern gewählt wird, hängt sein politischer Erfolg nur von der Arbeitslosenquote des Großherzogtums ab.

Während Ausländer und Grenzgänger in der Privatwirtschaft des Landes eine vorrangige Rolle spielen, sind sie als politische Größe so gut wie inexistent.

Und es fördert nicht gerade Reformen zur Öffnung der Wirtschaft nach außen, wenn Politiker in ihren Karrieren von
Wählern abhängen, die sie dafür abstrafen werden, dass sie deren gewonnenen Besitzstand gefährden.

Das Wirtschaftsministerium bzw. das “Observatoire de la compétitivité” bieten den Fontagné-Bericht in einer gekürzten wie in einer ungekürzten Fassung zum Download an.